1 min read

_301_ Kaffeeschnüffler

Skandalöses Kaffeekränzchen! Ein Auszug aus einem illustrierten Familienblatt
_301_ Kaffeeschnüffler
Beitrag aus der Gartenlaube, ein "Illustrirtes Familienblatt" (Leipzig 1892)
Politisches Mißtrauen witterte in dem Kaffeetrinker einen gefährlichen Neuerer, besorgte Staatsoberhäupter sahen mit bedenklichem Blicke das viele Geld für den theuren Artikel ins Ausland strömen. Zu den letzteren zählte kein geringerer als der Große Friedrich von Preußen. Er meinte, die Leute sollten sich wieder an das Bier gewöhnen, das wäre zum besten ihrer eigenen Brauereien und im übrigen „seien Seine Königliche Majestät Höchstselbst in der Jugend mit Biersuppe erzogen worden, mithin können die Leute ebensogut mit Biersuppe erzogen werden“; das sei viel gesünder als der Kaffee, an den sich jetzt „ein jeder Bauer und gemeine Mensch“ gewöhnt habe. Um seinen Zweck zu erreichen, führte er eine ziemlich hohe Kaffeesteuer ein und errichtete eine besondere Kaffee-Administration, deren Beamte der Volksmund „Kaffeeriecher“ nannte. […]

Die Kaffeekränzchen blühten, und es ist anzuerkennen, daß in jenen Tagen die Hessen-Kasseler Damen mehr Muth brauchten, wenn sie zu ihren „Schlachten“ auszogen, als dies gemeinhin heutzutage der Fall sein dürfte. Denn […] „die Nase des Gesetzes wachte“! Die Diener der öffentlichen Ordnung schnüffelten allenthalben herum, ob nicht von irgendwoher der verdächtige und leider so schwer zu verheimlichende Duft des Kaffeeröstens sich bemerkbar mache. Sie drangen in die Häuser und in die Stuben, spionierten in Tassen und Töpfen, und manchmal mag ein biederes Kränzchen ein Ende mit Schrecken genommen haben.

Heute ist die Sonne über Wien um 4:58 aufgegangen. Dies war der 301. Second Sunrise, eine historische Notiz zu Kaffee und Alltagskultur aus der Gartenlaube von 1892, erschienen in Leipzig.

Dieser Newsletter erklärt im Espressoformat kostenlos, unabhängig und kritisch eine Nebensache zum Hauptanliegen. Längere Essays und vergangene Aussendungen finden sich auf der Website. Empfiehl unser Projekt und leite das Mail weiter, werde Förder-Mitglied und hilf den Standard zu heben, mit dem wir unsere Gegenwart wahrnehmen. Auch ein einmaliges Trinkgeld hilft meinen kulturhistoriographischen Service aufrecht zu erhalten.